Am 16. Dezember 2022 hat der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht seinen globalen aufsichtsrechtlichen Standard für den Umgang von Banken mit Krypto-Assets (der "Final Standard") fertiggestellt. Der Final Standard berücksichtigt das Feedback der Interessengruppen aus zwei Konsultationsrunden, die im Juni 2021 und Juni 2022 stattfanden. Über die erste Konsultationsrunde haben wir in unserem Artikel hier berichtet.
Bis zum 1. Jänner 2025 haben die Mitglieder des Basler Ausschusses Zeit den Finalen Standard in nationales Recht umzusetzen. Der Final Standard wird als neuer Abschnitt (SCO60) in das Basler Rahmenwerk aufgenommen.
Das folgende Diagramm veranschaulicht die Struktur des Final Standard:

Überblick über den Final Standard
Die Struktur des Final Standards ist ident zu jener in der zweiten Konsultation. Der Final Standard teilt Krypto-Assets aufgrund ihrer Merkmale in zwei Gruppen (mit jeweils zwei Untergruppen) ein; er legt risikobasierte Mindesteigenkapitalanforderungen abhängig von der Art des jeweiligen Krypto-Assets und des entsprechenden Risikos (z. B. Kreditrisiko, Marktrisiko usw.) fest; Anforderungen an die Verschuldungsquote und Großkredite; Limits für Engagements der Gruppe 2; Risikomanagement der Bank und aufsichtsrechtliche Überprüfung; sowie Offenlegungsanforderungen.
Klassifizierung von Krypto-Assets
Die aufsichtsrechtliche Behandlung des Umgangs von Banken mit Krypto-Assets ist abhängig von der Klassifizierung der jeweiligen Krypto-Assets. Im Final Standard werden Krypto-Assets in zwei Kategorien eingeteilt:
- Gruppe 1 Krypto-Assets. Jene Krypto-Assets, die bestimmte Bedingungen erfüllen (siehe unten). Zu den Krypto-Assets der Gruppe 1 gehören tokenisierte traditionelle Vermögenswerte (Gruppe 1a) und Krypto-Assets mit wirksamen Stabilisierungsmechanismen (Gruppe 1b).
- Gruppe 2 Krypto-Assets. Jene Krypto-Assets, die keine der Bedingungen der Gruppe 1 erfüllen. Krypto-Assets der Gruppe 2 werden weiter unterteilt in Krypto-Assets, die bestimmte Kriterien für die Anerkennung von Absicherungsgeschäften erfüllen (Gruppe 2a) und solche, die dies nicht tun (Gruppe 2b).
Bedingungen für die Klassifizierung
Um in Gruppe 1 eingestuft zu werden, muss ein Krypto-Asset folgende vier Klassifizierungsbedingungen erfüllen:
- Das Krypto-Asset ist entweder: ein tokenisierter traditioneller Vermögenswert oder verfügt über einen Stabilisierungsmechanismus, der seinen Wert jederzeit wirksam an einen traditionellen Vermögenswert oder einen Pool traditioneller Vermögenswerte (d. h. Referenzvermögenswerte) bindet.
- Sämtliche Rechte und Pflichten, die in den Bedingungen für das jeweilige Krypto-Asset festgelegt werden, sind klar definiert und in allen Rechtsordnungen, in denen der Vermögenswert ausgegeben und eingelöst wird, rechtlich durchsetzbar. Darüber hinaus gewährleisten die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen die Wirksamkeit der Abwicklung. Banken sind verpflichtet, eine rechtliche Prüfung der Bedingungen bzw. Vereinbarung für das jeweilige Krypto-Asset vorzunehmen, um sicherzustellen, dass diese Bedingung erfüllt ist; außerdem ist diese Prüfung der Aufsichtsbehörde auf Anfrage zur Verfügung zu stellen.
- Die Funktionen des Krypto-Assets und des Netzwerks, in dem es betrieben wird, einschließlich der Distributed Ledger oder einer ähnlichen Technologie, auf der es basiert, sind in einer Weise konzipiert, dass alle wesentlichen Risiken ausreichend gemindert und gesteuert werden.
- Institutionen, die Rücknahmen, Übertragungen, die Speicherung oder die Wirksamkeit der Abwicklung des Krypto-Assets vornehmen oder Reserve-Assets verwalten oder anlegen, müssen: (i) reguliert und beaufsichtigt werden oder geeigneten Risikomanagementstandards unterliegen; (ii) über einen umfassenden Governance-Regelwerk verfügen und dieses offenlegen.
Der neue Abschnitt der Basler Rahmenvereinbarung (SCO60) enthält weitere Einzelheiten zu den Klassifizierungsbedingungen. Um beispielsweise als tokenisierter traditioneller Vermögenswert unter Klassifizierungsbedingung 1 eingestuft zu werden, muss der Vermögenswert das gleiche Kredit- und Marktrisiko aufweisen wie die traditionelle (nicht tokenisierte) Form des Vermögenswerts. Der neue Abschnitt enthält praktische Hinweise zu Anleihen und anderen Finanzinstrumenten, Rohstoffen und Bargeld, das in Verwahrung gehalten wird. Weitere Einzelheiten sind bei jeder Klassifizierungsbedingung angeführt.
Ein Krypto-Asset, das keine der vier Klassifizierungsbedingungen erfüllt, fällt in Gruppe 2.
Mindestkapitalanforderungen
Für Krypto-Assets der Gruppe 1a (d. h. traditionelle Token-Vermögenswerte) gelten in der Regel dieselben Regeln zur Ermittlung der risikogewichteten Aktiva (RWA) wie für nicht-tokenisierte traditionelle Vermögenswerte. So würde beispielsweise eine tokenisierte Unternehmensanleihe demselben Risikogewicht unterliegen wie eine nicht tokenisierte Unternehmensanleihe.
Da Krypto-Assets der Gruppe 1b (d.h. Krypto-Assets mit wirksamen Stabilisierungsmechanismen) auf unterschiedliche Weise strukturiert sein können, müssen die Banken ihre spezifischen Strukturen analysieren und alle Risiken ermitteln, die zu einem Verlust führen könnten. Jedes Kreditrisiko muss von den Banken separat kapitalisiert werden, wobei die Kreditrisikostandards im Kapitel CRE der Basler Standards (Berechnung der RWA für das Kreditrisiko) anzuwenden sind. In unserem früheren Artikel zu diesem Thema haben wir zwei anschauliche Beispiele dafür gegeben, wie Banken RWA auf der Grundlage der Struktur des Stablecoins berechnen können.
Darüber hinaus unterliegen alle Krypto-Assets der Gruppe 1 einem Zuschlag für das Infrastrukturrisiko. Der Zuschlag wird zunächst auf null gesetzt, kann aber von Behörden aufgrund von Schwachstellen in der von Krypto-Assets der Gruppe 1 genutzten Infrastruktur erhöht werden.
Die Eigenkapitalanforderungen für Krypto-Assets der Gruppe 2a (die Kriterien für die Anerkennung von Absicherungsgeschäften erfüllen) können nach modifizierten Versionen des vereinfachten Standardansatzes (SSA) oder des Standardansatzes (SA), wie in MAR40 bzw. MAR20 dargelegt, berechnet werden.
Für Krypto-Assets der Gruppe 2b muss ein Risikogewicht von 1250 % auf den größeren der beiden Werte, den absoluten Wert der aggregierten Long-Positionen und den absoluten Wert der aggregierten Short-Positionen in dem Krypto-Asset, angewandt werden. Dies wird als Formel wie folgt dargestellt:
RWA = RW x max [abs (long exposure), abs (short exposure)]
Mit dem Risikogewicht von 1250 % soll sichergestellt werden, dass die Banken ein Minimum an risikobasiertem Kapital halten, das zumindest dem Wert ihrer Positionen in Krypto-Assets der Gruppe 2b entspricht.
Krypto-Assets der Gruppe 2 unterliegen ebenfalls einer Limitierung. Das Gesamtengagement einer Bank in Krypto-Assets der Gruppe 2 sollte nicht höher als 1 % des Kernkapitals der Bank sein und darf 2 % des Kernkapitals der Bank nicht überschreiten.
Änderungen gegenüber der zweiten Konsultation
Der Basler Ausschuss hat das Feedback zum letzten veröffentlichten Vorschlag vom Juni 2022 berücksichtigt und einige Änderungen an dem Vorschlag vorgenommen, die in der zweiten Konsultation dargelegt wurden. Insgesamt sollen diese Änderungen den Banken einen flexibleren Ansatz in Bezug auf ihr Engagement in Krypto-Assets ermöglichen.
- Zuschlag für das Infrastrukturrisiko. Die zweite Konsultation beinhaltete ursprünglich einen fixen Zuschlag für risikogewichtete Aktiva, der mit 2,5 % des Forderungswerts für alle Krypto-Assets der Gruppe 1 festgelegt wurde. Dieser Zuschlag wurde durch ein flexibleres System ersetzt: Die Behörden haben die Möglichkeit, den Zuschlag zu erhöhen, wenn sie Schwächen in der Infrastruktur feststellen, die bestimmten Krypto-Assets zugrunde liegt. Zu Beginn wird der Infrastruktur-Risikoaufschlag auf null gesetzt.
- Basisrisiko-Test, Rückzahlungsrisiko-Test und Aufsichts-/Regulierungsanforderungen. Im vorherigen Vorschlag war vorgesehen, dass Banken einen Basisrisiko-Test und einen Rückzahlungsrisiko-Test bestehen müssen. Mit dem Rückzahlungsrisiko-Test soll sichergestellt werden, dass die Mindestreserven für die jeweiligen Krypto-Assets ausreichen, um jederzeit, auch in extremen Stresssituationen, jenen Betrag, an den Krypto-Assets gekoppelt sind, zurückgezahlt werden können. Der Basisrisiko-Test hingegen war ein quantitativer Test, der auf dem Marktwert des Krypto-Assets basierte und sicherstellen sollte, dass der Inhaber eines Krypto-Assets dieses auf dem Markt zu einem Betrag verkaufen kann, der sich am Basiswert orientiert. Im Final Standard hat der Ausschuss nun erklärt, dass er nicht beabsichtigt, den Basisrisiko-Test zum jetzigen Zeitpunkt einzuführen. Vielmehr wird der Ausschuss prüfen, ob es Alternativen zum Basisrisiko-Test gibt, die als zusätzliche Anforderung in Gruppe 1b aufgenommen werden können. Hinsichtlich des Rückzahlungsrisiko-Tests kam der Ausschuss zu dem Schluss, dass die hinterlegten Assets aus Assets mit minimalem Markt- und Kreditrisiko bestehen müssen.
- Risikolimit der Gruppe 2. Der Vorschlag enthält weiterhin die Anforderung, dass Banken ihr Gesamtengagement in Krypto-Assets der Gruppe 2 unter einem Schwellenwert von 1 % ihres Kernkapitals halten müssen. Der Final Standard modifiziert diese Anforderung in zweierlei Hinsicht: Erstens wird das Engagement in Krypto-Assets als der höhere Wert der Brutto-Long- und Brutto-Short-Position in den einzelnen Krypto-Assets gemessen und nicht mehr als der absolute Gesamtwert der Long- und Short-Positionen. Zweitens: Um Klippeneffekte zu verringern, werden die Kapitalanforderungen der Gruppe 2b bei einer Überschreitung des Limits nur jenen Betrag gelten, um den das Limit überschritten wird, und nicht für alle Risikopositionen der Gruppe 2.
- Verantwortung für die Beurteilung der Klassifizierungsbedingungen. Kreditinstitute waren verpflichtet, eine vorherige aufsichtsrechtliche Genehmigung für die endgültige Klassifizierung ihrer Krypto-Assets einzuholen. Um diesen aufwändigen Prozess zu vereinfachen, müssen Banken nun keine vorherige Genehmigung einholen. Sie sind jedoch verpflichtet, Aufsichtsbehörden über Klassifizierungsentscheidungen zu informieren. Die nationalen Aufsichtsbehörden haben die Möglichkeit, diese Entscheidungen aufzuheben, wenn sie mit der vorgenommenen Klassifizierung der Bank nicht einverstanden sind.
- Vermögenswerte in Verwahrung. Aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Anwendung des Standards in Bezug auf Kundenvermögen, bei denen die Bank als Verwahrer fungiert, wurde der Final Standard überarbeitet. Es wurde nun klargestellt, welche Bereiche auf von Banken erbrachte Verwahrungsdienstleistungen anwendbar sind.
Umsetzung in der Europäischen Union
Wie alle vom Basler Ausschuss verabschiedeten Standards ist auch der Final Standard für die Mitgliedsländer nicht verbindlich; die Verantwortung für die Umsetzung des Final Standards in nationales Recht liegt bei den Mitgliedern. In der Europäischen Union liegt diese Verantwortung beim Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union.
Der erste Schritt zur Umsetzung des Final Standards erfolgte am 24. Januar 2023, als der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der verbleibenden Teile des Basel-III-Rahmens verabschiedete. Der Gesetzesentwurf enthält eine Bestimmung, in der die Europäische Kommission aufgefordert wird, bis Juni 2023 einen Legislativvorschlag für eine aufsichtsrechtliche Behandlung von Krypto-Assets vorzulegen. Wir gehen davon aus, dass der Final Standard zusammen mit der Fertigstellung der Basel-III-Reform bis zum 1. Jänner 2025 umgesetzt werden wird.